Durch Himmel und Hölle am Rallarvegen
Der Rallarvegen ist ein 82km langer
ehemaliger Bahnarbeiterweg, der von Haugastøl
bis Flam führt. Das Besondere an diesem Radwanderweg ist, dass
lediglich der Start- und Endpunkt mit dem Auto erreichbar ist. An den
Zwischenstationen Finse, Hallingskleid und Myrdal kann man jedoch
jederzeit mit der Bergbahn weiter oder zurück fahren.
Wir
packten unsere Räder mit allem Möglichen was wir für drei Tage und
zwei Nächte so brauchen würden. Diesen Zeitraum planten wir ein, um
die Strecke entspannt bezwingen zu können.
Der
erste Abschnitt bis Finse war 28km lang und führt „relativ seicht“
(für norwegische Verhältnisse, für uns Flachländer schon recht
bergenreich) durch eine malerische Landschaft entlang vieler kleiner
Bergseen. Mehrmals kreuzten einige Schafe unseren Weg.
Je näher wir
Finse kamen, desto kühler wurde es, denn diese Station liegt umgeben
von Gletschern auf denen das ganze Jahr über Schnee liegt. Völlig
nassgeschwitzt kam ich bei 5 Grad Außentemperatur dort an. Sofort
versetzte der kalte Wind mir eine Gänsehaut und ich stellte mein Rad
ab und begab mich in die Finnhytta, wo ich mich bei einem heißen
Kaffee und einer leckeren Waffel stärken konnte. Meine Freundin war
noch immer nicht ganz bei Kräften und trat auf halber Strecke den
Rückweg an. Vom Sportsgeist gepackt entschied ich mich jedoch die
Strecke fortzusetzen. Da es bereits 16 Uhr war und ich noch immer
völlig durchgefroren war entschied ich mich die Nacht in der
Finsehytta zu verbringen. Mit 9 anderen Wanderern teilte ich mir ein
Zimmer. Am nächsten Morgen war ich endlich wieder aufgewärmt und
startete recht früh die Weiterfahrt. Bis zur nächsten Station waren
es 21km. 'Das schaffe ich noch vorm Frühstück' dachte ich bei mir.
Es fing leicht an zu nieseln. Dieser Streckenabschnitt hatte es in
sich. Die Straße wurde schlechter. Immer wieder musste man
Geröllstrecken überqueren, die ich mit meinem Rad kaum befahren
konnte. Oft hieß es dann Absteigen und Schieben, was meist jedoch
noch schwerer war, da das Rad mit dem ganzen Gepäck nicht leicht zu
händeln war. Zu allem Übel regnete es immer stärker. Völlig
durchnässt kämpfte ich mich jeden Höhenmeter weiter. 150
Höhenmeter erwarteten mich auf dieser Strecke, die an unzähligen
Wasserfällen vorbei und über Brücken und Flüsse führte.
Die
Berge wurden immer steiler. Schon nach den ersten 5km war ich völlig
am Ende und zweifelte daran die Strecke ernsthaft schaffen zu können.
Ich will nicht mehr!! Sollte ich lieber umkehren? Die nächste
Station Hallingskleid würde ich vermutlich nie erreichen. Vielleicht
sollte ich die restlichen 15km zu Fuß gehen. Aber das Rad war
einfach zu schwer zum schieben. Also wieder rauf und weiter radeln.
Nur sehr schleppend und auch ein bisschen widerwillig kam ich voran.
Dann erreichte ich den höchsten Punkt des Weges, den „Fagervatn“
in 1.343m.o.H. Ab hier ging es zwar endlich wieder etwas bergab, doch
auch da musste ich aufgrund der vielen unvorhersehbaren Löcher und
Geröllabschnitte bremsen. Es grenzt an ein Wunder, dass meine Reifen
den Weg unbeschadet überstanden haben. Schließlich erreichte ich
nach 3h völlig am Ende und nass frierend die nächsten
Zwischenstation. Hier wollte ich mich unbedingt irgendwo aufwärmen
und endlich etwas zu essen zu mir nehmen. Das kleine 'Örtchen'
bestand aus einer Handvoll Hütten. Alle privat wie es schien. Ich
machte mich auf Richtung Bahnstation. Da musste es doch ein kleines
Cafe oder so geben, dachte ich bei mir. Ich stieg ab und schon das
Rad den viel zu steilen Berg hinauf. Mir kam eine Wanderin mit ihrem
Hund entgegen, die mein elendigen Zustand sofort sah. 'Do you wanna
take a rest and warm you up? There is a Hytta just over there, come
with me.' Das ließ ich mir nicht zweimal sagen. Sie führte mich zu
einer der DNT Wanderhütten, die es hier überall gibt. Dort kann man
sich aufwärmen, was zu essen kochen oder sogar übernachten. Ich
kochte mir eine große Tasse Kaffe und genehmigte mir endlich mein
ersehntes Frühstück. Bis nach Flam waren es noch 33km. In diesem
Zustand für mich kaum vorstellbar zu schaffen. Ich entschied mich
nur noch die 16km bis nach Myrdal und von dort den letzten Abschnitt
mit der Flamsbahn zu fahren. Nach einer Stunde Pause und der
herzlichen Freundlichkeit der Wirtin fühlte ich mich wieder stark
genug den Weiterweg anzutreten. Meine Klamotten waren
zwischenzeitlich im Trockenraum getrocknet und ebenfalls kuschelig
warm.
Das Wetter hatte Erbarmen mit mir, stellte den Regen ein und
sogar die Sonne ließ sich nun blicken. Ab Hallingskleid wurde die
Strecke wesentlich besser und wie ich auch bereits gelesen hatte,
führte sie fast nur noch bergab. Ein Lächeln fand sich auf meinem
Gesicht wieder und auch die Umgebung konnte ich wieder viel mehr
genießen, denn dieser Streckenabschnitt war mitunter der Schönste.
Immer wieder musste ich anhalten und Bilder von den gewaltigen
Wasserfällen machen oder die Felsformationen bestaunen.
Die Straße
befand sich nun ebenfalls in einem viel besseren Zustand und so
konnte ich mich die nächsten Kilometer fast nur rollen lassen und
genießen. 5Km vor Myrdal beschloss ich, die restliche Strecke nach
Flam nun doch auch mit dem Rad zurück zu legen. In Myrdal machte ich
eine kurze Colapause. Nun ging es einen ganzen Abschnitt Serpentinen
hinunter. Diese waren recht steil. Der Wanderführer rät zum
Absteigen und Schieben. Das Gepäck auf meinem Gepäckträger
verleihte mir zusätzlichen Schub. Trotzdem war ich zu faul zum
Schieben und fuhr die Strecke mit angezogenen Bremsen (die
anschließend dann völlig hinüber waren) hinunter.
Danach ging es
einen asphaltierten Weg bis nach Flam entlang. Auf einem Abschnitt
lagen lauter Ziegen herum, die sich weder von den Radfahrern noch von
den Autos stören ließen. Der Autofahrer vor mir musste aussteigen
und sie wortwörtlich von der Straße heben. Ich beobachtete das
Schauspiel grinsend.
Der letzte Abschnitt ging weiter nur noch bergab
und ich konnte mich bis nach Flam hinein rollen lassen, wo meine
Freundin mich völlig erfreut in Empfang nahm. Ich hatte es
geschafft! In 2 Tagen 82Km durch Himmel und Hölle gegangen oder
besser gesagt geradelt. Ich kann dieses kleine Abenteuer nur jedem
empfehlen, der einen genauso großen Sportsgeist hat und eine kleine
körperliche aber auch geistige Herausforderung sucht.
Ach Maria, wie immer sehr spannend von dir zu lesen. Ich war einen kleinen Moment bei deinem Abenteuer dabei. Danke Dir ��
AntwortenLöschenDas liest sich wie geschnitten Brot. Schreib bitte Bücher. ��
AntwortenLöschen