Alles halb so schlimm, oder doch nicht?! Vom Ausbeuten der Touristen und dem schönsten Weltwunder der Erde

Die Tage in der Hauptstadt Jaipur verliefen für uns relativ unspektakulär. Wir sahen uns auch hier die wichtigsten und auch durchaus großartigen Gebäude, wie den Palast der Winde (Hawa Mahal) oder den City Palace, an.


Etwas anders hatten wir uns die 'Pink City' dann allerdings doch vorgestellt. Irgendwie pinker und vielleicht etwas moderner. Die 'Pink City' erstreckt sich nur auf einen kleinen Stadtteil und die Gebäude sind auch eher terracottafarben und das auch längst nicht alle. Der Hawa Mahal zum Beispiel sogar nur von der Straßenseite. So beeindruckend diese auch anzusehen waren (und ich bin nun wirklich kein Kulturbanause), so langsam war mein Bedarf an historischen Denkmälern und Bauwerken gedeckt. 
Ein Highlight gab es in dieser Stadt dennoch, unser absolut luxuriöses Hotel. Dies wirkte ebenfalls wie ein Palast. Wir fühlten uns wie ein Königspaar und wurden auch so behandelt. 



Von Jaipur aus sollten wir mit dem Zug nach Agra gebracht werden. Über das Zugfahren in Indien hatten wir auch schon so einige sehr aufregende Geschichten gehört. Menschenmassen, die sich auf die Plattformen drängen sollen, unübersichtliche Anzeigetafeln, hohe Kriminalität usw. Dementsprechend waren wir aufgeregt und super neugierig auf diese Erfahrung. Im Bahnhof von Jaipur angekommen wurden unsere Erwartungen jedoch getrübt. Es war nicht viel mehr los als auf dem Hamburger Hauptbahnhof. Auch war die Ausschilderung und die Anzeigetafeln so übersichtlich, dass wir uns sofort zurecht fanden. Ein Kinderspiel. Wir hatten gebuchte Sitzplätze in der CC Klasse, welche der ersten Klasse entspricht. Der Unterschied zu deutschen Intercity Zügen war hier (neben der Sauberkeit) die Geschwindigkeit. Mit maximal 60 km/h machten wir uns auf den Weg nach Agra, wo wir mit 1,5h Verspätung endlich ankamen. Unser Abholservice wartete schon auf der Plattform auf uns und brachte und zu unserer nächsten Unterkunft. Dieses Mal sollten wir in einem Homestay übernachten. Dies kannte ich ja bereits aus Australien und freute mich entsprechend darauf, die Menschen hautnah in ihrem Alltag zu erleben. 
Von der Hausherrin Ardhana und ihrem Mann wurden wir herzlich empfangen. Sehr herzlich. Äußerst herzlich. Zu herzlich. Es war beinahe 23 Uhr. Wir waren müde, hatten Hunger und wollten nächsten Tag bereits um 6 Uhr am Taj Mahal sein um den Sonnenaufgang dort zu erleben. Wir bekamen bei unserer Ankunft eine Blumenkette um den Hals gelegt und den berühmten Punkt (endlich) auf die Stirn gemalt. Davon wurden ununterbrochen Fotos geschossen. Diese sollten wohl für die Website sein, wie wir später erfuhren. Wir sollten im Wohnzimmer Platz nehmen und die Gastmutter bot uns an, für uns noch ein Abendessen zuzubereiten. Sehr gerne nahmen wir dies an. Natürlich sollte dies nicht gratis sein. Im Gegenteil. Es wurden hierfür Restaurantpreise verlangt. Während sie das Essen zubereitete, versuchte der Gastvater uns für den kommenden Tag eine Tagestour mit Fahrer regelrecht aufzuquatschen. Sie waren zwar stets sehr freundlich zu uns, dies war jedoch so übertrieben, dass es völlig unangemessen und unehrlich rüber kam. Es handelte sich dann doch nicht um ein Homestay wie ich ihn erwartet hatte, sondern eher um ein Bed and Breakfast mit 5 Gästezimmern. 


Mit dem Transport in Indien kamen wir mittlerweile gut klar, da wir uns keinen direkt auf der Straße aufquatschen ließen, sondern über die App "Ola" (ähnlich wie Uber) orderten. Das ersparte uns das mühselige Verhandeln des Preises. Jetzt wo wir die Preise der Taxen kannten fanden wir es noch unverschämter was Rikschafahrer oder andere auf der Straße von einem für die Fahrt verlangten. Für Touristen gelten in diesem Land allgemein andere Preise. Allein die Eintrittspreise zu den Sehenswürdigkeiten sind für Touristen teilweise um das fünffache höher als für Einheimische. Immernoch günstig für deutsche Verhältnisse, trotzdem fühlt man sich dadurch ein wenig ausgebeutet. Auch das wirklich für jede noch so kleine Nettigkeit Geld verlangt wurde, gab uns einen negativen Beigeschmack. 
Ein Euro mehr tut uns sicherlich nicht weh und wenn man bedenkt dass man einigen Indern damit eine ganze Mahlzeit schenkt, würde man ihn auch gerne mehr geben, aber die Art und Weise wie sie dies verlangten war schon fast unverschämt. Während des Besuchs eines Monuments zum Beispiel werden einem bereits am Eingang 10 Guidingtouren angeboten. Die nächsten 20 bieten einem an, Fotos von einem zu schießen. Und die ganz schlimmen laufen auf einmal neben dir her und erzählen etwas über die Geschichte des Gebäudes. Anständig wie man erzogen wurde hört man natürlich erstmal zu. Am Ende verlangen sie jedoch ihren Preis für die gegebenen Informationen. Am liebsten hätte ich versucht sie wach zu rütteln, indem ich ihnen sage, dass sie durch so ein Verhalten die Touristen doch eher nur verschreckten als sie für ihr Land zu begeistern. Es machte einfach keinen Spaß die Straßen entlang zu gehen und sich die Shops anzusehen. Und dabei hätte ich wahnsinnig gerne einiges gekauft. 
Es war nicht möglich auch nur ein einzig normales Gespräch mit einem Einheimischen anzufangen ohne das Gefühl zu bekommen, dass sie einen ausnehmen wollen. Mittlerweile ging ich fast nur noch mit gesenktem Kopf durch die Straßen, denn Blickkontakt forderte sie sofort zum Verkaufsgespräch auf. Ein freundlicher Blick wurde kaum erwiedert. Dadurch wirkten die Inder eher so, als wären sie ständig mies gelaunt. Nicht grade das 'Land des Lächelns'. Das war sehr schade. Gerne hätte ich noch viel mehr über die Mentalität und ihren Alltag erfahren. Positive Begegnungen hatte ich nur sehr wenige. Eine am Taj Mahal. Dort trug ich meinen neuen Sari und eine Frau flüsterte mir zu wie hübsch sie mich doch darin finde. Und eine weitere in einem Cafe in Jaipur. Nachdem ich mir ein Hennatattoo aufmalen ließ, gab mir unsere Tischnachbarin unvermittelt ein paar Tipps zur richtigen Pflege und so konnte ich ein zwei sehr nette Worte mit ihr wechseln. 
Während ich die meisten Händler, die uns etwas andrehen wollten gekonnt ignorierte, merkte ich wie es Carstens Puls immer höher trieb und seine Nerven immer mehr strapazierte. 
Vor unserer Reise nahmen wir an eher von den unzähligen Bettlern belagert zu werden. Diese hielten sich jedoch im Vergleich zu den Händlern arg zurück und erweckten in uns auch eher Mitleid. Die Armut in Indien ist ein ganz eigenes Thema. Sie ist einfach allgegenwärtig. In Jaipur zum Beispiel kamen wir aus unserem Palast hotel und wollten nur die Straße herunter zum nächsten Geldautomaten laufen, da standen wir bereits ein paar Schritte weiter mitten unter ihnen. Obdachlose, die auf der Straße schliefen, Kinder, die im Müll spielten, Frauen, die um ein wenig Essen bettelten. Ich hatte mir immer vorgestellt, dass die Slums, in denen sich die Menschen der unteren Kasten aufhielten außerhalb der Stadt befinden, aber sie waren einfach mittendrin. Auch konnte man immer wieder beobachten, wie die Personen, der höheren Schichten diese Menschen so ignorierten als wären sie gar nicht da. Sie hatten garkeine Chance in ihrem Kastensystem aufzusteigen und ein anderes Leben zu führen, weil sie für die anderen Menschen einfach gefühlt gar nicht da waren. Es war einfach nur schlimm mit anzusehen. Ich schätze darüber dürfen wir Europäer gar nicht näher drüber nachdenken, denn wie sollte man es schaffen eine grundlegende Einstellung eines ganzen Volkes zu ändern. Allein die Tatsache, dass viele von ihnen täglich ums reine Überleben kämpfen, stimmt mich sehr traurig und betroffen. Um hier etwas zu verändern, bedarf es vermutlich die Hilfe einer ganzen Nation. 

Am nächsten Morgen in Agra machten wir uns also um 6 Uhr morgens auf zum Taj Mahal. Den Fahrer hatten wir bereits geordert. Ein weiteres Problem ist in Indien, dass die meisten Fahrer kein ausreichend Kleingeld zum wechseln dabei haben. So kam es also, dass wir 100 Rupien mehr als vereinbart zahlen mussten. Das ist natürlich grade mal mehr als ein Euro, aber aufgrund der grade geschilderten Umstände im Gesamten, kann einen so etwas am frühen Morgen schon einmal schlechte Laune bereiten. Zu allem Übel fing es unmittelbar nach unserem Ausstieg nun auch noch an zu regnen. 
Wir waren mit einer der ersten Wartenden vor dem Eingangstor zum Taj Mahal. Dort mussten wir noch 40 Minuten verharren um endlich Einlass zu bekommen. Einen Sonnenaufgang würden wir bei diesem Wetter wohl eher nicht sehen. Unsere Laune hielt sich in Grenzen. Dann passierten wir das Eingangstor und schon baute sich vor uns ein absolut traumhafter Blick auf diesen wunderbaren Palast auf. Er war so wunderschön, dass es uns den Atem stockte. Aller Kummer war auf einmal vergessen. Wir machten uns direkt auf den Weg hinein ins Mausoleum und waren an diesem Tag die ersten Besucher dort. Der Park ums Taj Mahal ist sehr ordentlich angelegt und trotz des grauen Wetters strotzten einem die Farben der grünen Wiesen und des poolblauen Wassers nur so entgegen. Wir spazierten den Park entlang und jedes Mal wenn mein Blick wieder auf den Palast fiel, haute es mich um. Dass er mich tatsächlich so beeindruckt, habe ich nicht mehr für möglich gehalten. Trotz der dichten Wolken konnten man bei Tagesanbruch die verschiedenen Farbtöne erkennen, die sich auf dem weißen Mamor entwickeln. Es war traumhaft dies mit anzusehen. Ich bin unglaublich froh und dankbar diese Reise dafür angetreten zu sein und behaupten zu können, dieses Weltwunder live gesehen zu haben. 


Am Abend fuhren wir erneut mit dem Zug zurück nach Delhi. Auch das verlief wieder völlig reibungslos. Im Zug konnte Carsten nun auch seine positive Erfahrung sammeln und verwickelt sich in ein Gespräch mit seinem Sitznachbarn, der im Vergleich zu den anderen äußerst kultiviert wirkte. Er verriet uns, dass er ebenfalls für die Regierung arbeitete und erzählte ein wenig aus seinem Leben. Er gehört unter anderem zu den wenigen, die tatsächlich glücklich verheiratet sind und keine arrangierte Ehe eingehen musste. Ehrlich besorgt fragte er uns mehrmals, ob wir am Bahnhof von Delhi abgeholt werden. Der Abholdienst wurde vorab bereits von IndiaSomeday gebucht und verlief bis dahin völlig reibungslos. Beim Einlaufen des Zuges fragte er uns dies ein letztes Mal. Vermutlich hätte er uns sogar angeboten, uns mitzunehmen. 
Der Bahnhof in Delhi war dann doch etwas chaotischer als die anderen beiden. Die Menschen drängten sich schon aus dem noch rollenden Zug nach draußen und auf die Rolltreppen Richtung Ausgang. Kaum einen Fuß auf die Plattform gesetzt kamen uns schon die ersten mit "You need Transport Sir? Good Price" entgegen. Ich sah mich nach unserem Fahrer um, aber dieser war nicht da. Natürlich musste es genau an diesem Bahnhof schief gehen. Um nicht weiter aufzufallen schoben wir uns mit der Menge nach draußen und ich orderte ein eigenes Taxi. Wie sich heraus stellte steckte unser Fahrer noch im Verkehr fest und konnte daher nicht pünktlich am Bahnhof sein. Was ich jedoch lobend erwähnen möchte, die Kommunikation mit IndiaSomeday verlief in dieser Situation absolut unverzüglich und problemlos. 


Nun sitzen wir bei viel zu heißen 31 Grad am Hafen von Port Blair, von wo aus wir mit der Fähre auf Havelock Island gebracht werden. Dort werden wir die Zeit nutzen um uns von den Hektik der vergangenen Tage zu erholen. Ich freue mich darauf diesen ganz anderen Teil Indiens kennen zu lernen und mir die Zeit mit Yoga, Tauchen und Relaxen tot zu schlagen. Daher melden wir uns für die nächsten Tage bei Euch ab, aber berichten sicher schon bald wieder von unseren aufregenden Erlebnissen auf unserer anschließenden Reise durch Vietnam. 


Kommentare

  1. Ein auf und ab der Gefühle. Wahnsinn ihr zwei. Eine weiterhin wunderschöne und spannende Reise. Passt auf euch auf 😘

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  2. Es macht Spaß euch auf diese Art und Weise bei den Flitterwochen zu begleiten. Schön geschrieben und sicher ein tolles Abenteuer. Weiterhin eine schöne, gemeinsamme Zeit.

    Gruß aus der Heimat :-)

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  3. Dein blauer Sari ist soooo hübsch 👍 😘 💞

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  4. यह रोजमर्रा की जिंदगी में एक अच्छा बदलाव है जब हम आपकी यात्रा के बारे में पढ़ सकते हैं और कुछ देख सकते हैं।
    yah rojamarra kee jindagee mein ek achchha badalaav hai jab ham aapakee yaatra ke baare mein padh sakate hain aur kuchh dekh sakate hain.

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