Namaste Delhi

Einmal ein Silvesterfeuerwerk aus dem Flugzeug aus betrachten, das wäre doch mal großartig. Meine Vorstellung davon war jedoch naiver als die Realität. Natürlich waren wir mit dem Flugzeug viel zu hoch um es als Feuerwerk wie man es von unten aus sieht, zu betrachten. Dennoch war es ein kleiner Gänsehautmoment als um Mitternacht, wie waren grade über der Türkei, eine Melodie im Flieger ertönte, der Pilot uns ein fröhliches neues Jahr wünschte und bat uns aus dem Fenster zu sehen. Und tatsächlich im tiefen Schwarz konnte man viele aufleuchtende Punkte, die fast einem Sternenhimmel gleichten, unter uns entdecken.
Nach einer 10h Reise landeten wir in Delhi und rechneten mit den schlimmsten Menschenmassen, die wir uns vorstellen konnten an mit einem der größten Flughäfen Indiens. Zu unsrer Überraschung jedoch war dieser nahezu menschenleer. Die Agentur India Someday, die uns half die Reise zu organisieren, hatte bereits einen Abholservice für uns arrangiert. Der Fahrer wartete am Ausgang auf uns und erkannte uns sofort. Schnell noch am ATM das erste Bargeld abgeholt. Meine Güte war das überraschend einfach. Super gespannt auf unsere erste Autotour durch Indiens dichtes Verkehrsnetz verlief auch diese relativ ruhig und harmlos bis auf das viele gehupe, das wohl jeder mit Indien verbindet.
Auf dem Weg zu unserer ersten Pension gewannen wir einen ersten Eindruck über Stadt, Land und Leute. Immer wieder sah ich wie Bauarbeiten an den Straßen mit einfachstem Handwerkszeug erledigt wurden und musste mich fragen, ob es hier überhaupt Maschinen wie Bagger, Radlader etc.gibt. Ja auch Kühe und Schweine liefen frei am Straßenrand herum. Und natürlich Rikschas und Tuktuks inmitten der vielen weißen Fahrzeuge.
Das Viertel in dem wir schließlich hielten wirkte alles andere als vertrauenserweckend. Das Gebäude war kaum als Pension zu erkennen und die Straße entlang hausten viele Familien genau dort am Straßenrand mit all ihrem Hab und Gut. Die meisten Plätze mit etlichen Decken ausgestattet, einige hatten sogar Zelte. Alles war dreckig, mölig, durcheinander und vor allem eng an eng. Und überall dieser Geruch nach Abgasen und Räucherstäbchen. Und überall liegen Straßenhunde herrenlos umher. 
Der Hausherr holte uns direkt vom Taxi ab und trug unsere Rucksäcke rein. Die Hausherrin begrüßte uns drinnen sehr herzlich und erkundigte sich nach unserem Befinden und unseren Plänen für den restlichen Tag. Erstmal schlafen, dachten wir beide nur, und am Nachmittag vielleicht nochmal zum roten Fort. Sie erklärte uns den Weg zur Metrostation, die sich zwei Straßen weiter befand. Metro? Hier? Allein die Busse die auf dem Weg hierher an uns vorbei fuhren waren so voll beladen dass keine Hand mehr zwischen die Menschen passte. Noch dazu waren sie teilweise so demoliert, dass man sich wundern musste wie sie überhaupt noch fahren konnten. Und dann alleine durch dieses Chaos da draußen? Für uns undenkbar, also verkrochen wir uns erstmal aufs Zimmer welches schweinekalt war. Unsere Blicke trafen sich und wir beide plagten uns mit dem gleichen Gedanken: Wie konnten wir den letzten Rat der Hausherrin deuten? 
Mit äußerst besorgtem Blick riet diese uns, gut auf uns acht zu geben da die Gegend um dem roten Fort sehr belebt ist. Wir sollten stets sehr sehr gut auf unsere Pässe und unsere Wertsachen Acht geben. 
Wir fühlten uns sehr unwohl und teilweise ängstlich alleine die Straßen zu betreten. Kurz kam der Gedanke auf doch einfach auf dem Zimmer zu bleiben bis es in 2 Tagen weiter nach Jaisalmer gehen sollte. Aber wir sind natürlich nicht nach Indien gekommen um uns zu verkriechen. Also los. Schnell das nötigste zusammengepackt und am Körper verstaut. Wir wollten jedoch mit dem Taxi zum Roten Fort. Die Rezeption verwies uns darauf draußen eine Rikscha zu nehmen. Wir müssten nur die Straße entlang gehen. Eine Straße, die nicht nur sehr eng war, auch gab es hier nirgends Bürgersteige wo man sich als Fußgänger vor dem Verkehr retten konnte. Kaum aus der Tür kam schon eine Frau mit Kind zu uns. Mit einer Handbewegung deutete sie mir, dass sie Hunger habe und bat mich um ein paar Rupien. Ebenso das Kind klebte förmlich an meinem Bein. Ich versuchte sie nicht weiter zu beachten und lief zügig Carsten hinterher, der bereits das nächste Auto ansteuerte. Schon kamen weitere Männer auf uns zu "Transport, Transport?" 'Na, klar' dachte ich. Genau danach suchen wir ja. Von der Rezeption bekamen wir vorab den Hinweis auf keinen Fall mehr als 200Rupien zu bezahlen. Also fragte ich nach dem Preis des ersten Anbieters. 400 Rupien! 'No, no' winkten wir ab und überraschend schnell verzog dieser sich wieder, jedoch hielt im gleichen Moment eine Rikscha neben mir, die ebenfalls Transport anbot. Und ein Taxifahrer kam hinzu und ein weiterer und weiterer. Immernoch klebte das Kind an mir. Mein Herz schlug schneller und der Puls stieg. Jeder wollte horrende Preise für die Tour haben. Ich wollte unbedingt raus aus dieser Situation und weg von den Leuten. Doch wohin in einer Stadt mit 16 Millionen Menschen? Wir standen mitten auf einer Kreuzung. Alle Augen blickten zu uns. Es war hektisch. Einer der ersten Taxifahrer winkte uns zurück und deutete mit seinen Fingern dass er uns für 200 Rupien zum roten Fort bringe. Also schnell zurück und rein ins Auto. Endlich in Sicherheit, dachten wir bei uns. Natürlich versuchte der Fahrer uns direkt eine Ganztagestour aufzuquatschen. Zu unserem Erstaunen (das zeigte sich auch im restlichen Tag) konnte man die Inder jedoch mit einem kurzen 'No' immer schnell abwimmeln, sodass sie einen in Ruhe ließen.

Angekommen am roten Fort konnten wir unseren Augen nicht trauen welch eine Menschenmasse sich vor dem Eingang tummelte. Und genau dort sollten wir nun rein. Es gab 6 Schalter mit ellenlangen Warteschlangen davor. Irgendwo reihten wir uns ein, ohne zu bemerken dass dies die Schlange nur für indische Frauen war. Ein junger Mann kam auf uns zu und deutete uns ihm zu folgen, da es einen Bereich extra für Touristen bzw. 'Foreigners' gäbe. Etwas skeptisch folgten wir ihm bis wir schließlich das Schild über der Kasse laßen. Hier standen lediglich eine Handvoll Touristen. Der junge Mann ging natürlich nicht ohne zu versuchen uns Postkarten anzudrehen. Die Preise für Touristen sind überaus hoch im Vergleich zu denen der Einheimischen. Während diese lediglich 45 Rupien Eintrittsgeld zählten, waren es für Touristen satte 600 (was ungefähr 7,50€ entsprach).
Nach einigen Sicherheitskontrollen gelangen wir aufs Gelände uns fühlten uns gleich wieder etwas sicherer. Die Massen verteilten sich so, dass wir wieder durchatmen konnten und das Gelände bestaunen konnten. Kaum jemand schenkte uns Beachtung. Fast schon etwas beleidigt war ich, dass wir bislang noch von niemandem um ein Foto gebeten wurden, da ich doch genau dies aus Indonesien bereits kannte. Als würden die Inder meine Gedanken lesen können, kam ein Pärchen auf uns zu "Sir, Sir, please Foto?" und kaum stimmten wir zu kamen sie in Scharen zu uns. Auf einmal wollte jeder ein Bild mit uns machen. Und dies zog sich auch durch den restlichen Tag. Kaum blieben wir stehen um uns vielleicht mal etwas genauer umzusehen oder selber Fotos zu schießen entstand eine Traube um uns. Einige Frauen sprachen mich direkt an, die meisten wandten sich jedoch an Carsten, dem anschließend oft mit einem herzlichen Händeschütteln gedankt wurde. Man merkte schon deutlich welchen Stand die Frau in dieser Kultur hat. Dennoch verspürte ich keinerlei Angst dass uns etwas zustoßen würde oder uns sogar Gewalt angetan werden könnte. Nach und nach gewöhnten wir uns an die Umgebung, die Blicke, die Menschenansammlungen und dem Verkehr, der einfach mittendrin stattfand. 

Am Ende eines Moscheebesuchs (bei dem scheinbar wir das Highlight waren) trauten wir uns sogar einige Straßen zu Fuß zu einem nahegelegenen Restaurant was uns empfohlen wurde. Ständig hupte es vor uns, hinter uns, neben uns. An den Straßenränden hatten Menschen Stände aufgebaut und verkauften Spielzeug, Schmuck, Autoreifen oder Streetfood. Manchmal konnte man nicht unterscheiden ob es sich um einen Stand handelte oder man sich bereits in der 'Wohnung' der Person befand. Eine sehr enge Gasse inmitten einer kleinen Seitenstraße führte uns zu "Karim's". Hier wurde bereits 1800 für den König gekocht. Wir fanden jedoch kein typisches Restaurant vor, sondern mehrere Gebäude vor denen sich unsagbar viele Menschen tummelten. Schnell wurden wir doch angesprochen und ein netter Kellner führte uns zu einem Tisch mit einem weiteren Pärchen. Endlich indisches Essen. Ich kann euch sagen, es ist tatsächlich so gut wie man es sich vorstellt. Wir hatten Curry und Biryani. Dazu Naan Brot und Coke. Selbstverständlich aßen wir typisch indisch mit der rechten Hand, ohne Besteck (die linke Hand gilt in Indien als unrein). Das Essen war würzig scharf, aber nicht ungenießbar scharf. Dazu wurden Rettichscheiben serviert, die die Schärfe neutralisierten. 


Nach dem Essen waren wir so kaputt dass wir nur noch ins Taxi und zurück zur Pension wollten. Dies entpuppte sich jedoch nicht so einfach wie gedacht. Denn kein Taxi weit und breit. Die Pension lag 45 Minuten entfernt. Die wollten wir nicht mit einer Rikscha zurück legten. Wir gingen einige hundert Meter und stellten uns irgendwann leicht verzweifelt an den Straßenrand und hofften dass uns jemand ansprechen würde. Doch kein Taxi weit und breit. Schließlich kam ein Tuktuk Fahrer auf uns zu und erklärte uns dass sich die Taxen am Roten Fort befanden welches 1km von uns entfernt lag. Wir handelten einen Preis aus und er brachte und nicht nur hin, er hielt auch prompt ein Taxi für uns mitten auf der Straße an. Wir handelten einen Preis aus und los ging die Fahrt. Es war mittlerweile 17 Uhr und die Straßen knüppelvoll. Irgendwann ging es eine Zeit lang gar nicht mehr vorwärts. Für eine Strecke von 11km benötigten wir über eine Stunde. Natürlich wollte der Fahrer am Ende mehr Rupien für diese Tour die nun durch den dichten Verkehr so viel länger gedauert hat, als ursprünglich vereinbart. Müde vom Tag handelten wir nicht länger und zählten die 600 Rupien.

Was für ein Tag, was für Eindrücke, Gerüche und gemischte Gefühle uns begleiteten. Für den nächsten Tag nahmen wir uns vor besser vorbereitet zu sein. Aber nun ging es erstmal ins kalte Zimmer und unter drei dicken Wolldecken eingemummelt fielen uns sofort die Augen zu. 
Eins ist sicher, die Tage in Indien werden nicht nur unfassbar laut sondern auch wahnsinnig spannend und aufregend. 

Eure Maria und Carsten 

Kommentare

  1. Das klingt alles sehr spannend und aufregend.
    Ich hätte sicher die Hosen voll...
    Euch beiden ganz viel Spaß und viele schöne Erlebnisse.

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  2. Guten Morgen & Namaste aus Schwerin! Welch wunderbare, aber auch fesselnde, Eindrücke Eures ersten Tages aus einer schier anderen Welt. Passt auf Euch auf - aber genießt Eure gemeinsame, aufregende Zeit.

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