Die Welle des Grauens

Am Montag Vormittag kam ich nun endlich in Denpasar auf Bali an und wurde von dem Fahrer des Pelan Pelan freudig in Empfang genommen. Wie mir bereits auf den anderen indonesischen Inseln aufgefallen ist, braucht man sich vorab über den Airport Shuttle wirklich überhaupt keine Gedanken machen, denn unmittelbar vor dem Flughafen erwarten einen unzählige Indoneser, die dich mit den Worten "Transport, Transport?"  begrüßen und überall zu einem bezahlbaren Preis hinbringen. Ich erinnerte mich an die Mail von Emma, der Inhaberin des Hostels, dass das Pelan inmitten der Reisfelder liegt und wir uns keine Sorgen machen bräuchten, wo der Fahrer uns hinbringe. Ich war erleichtert nicht inmitten der "Großstadt" bleiben zu müssen.
Nach einer Stunde Fahrt wurde ich von Lina im Pelan Pelan mit einem leckeren Wassermelonencocktail in Empfang genommen. Sie zeigte mir mein Zimmer und ich war sehr überrascht über den unerwarteten Luxus, der mir hier geboten wurde. Vor mir lagen jeden Tag zwei Stunden surfen, Yoga, Massagen, Ausflüge und jede Menge super leckers indonesisches Essen. Auf der Terasse wurde bereits mein Mittagessen serviert und ich gesellte mich zu den vier anderen Gästen. Alles alleinreisende Mädels aus Dubai, Frankreich, der Schweiz und Deutschland. (Seht ihr Freunde, ich bin längst nicht die einzig 'Verrückte') Ich war froh, dass wir nur so eine kleine Runde waren und wurde sofort herzlich aufgenommen. Zwei Stunden später stand auch schon die erste Meditationsstunde auf dem Programm. Ich hatte arge Probleme die ganze Zeit im aufrechten Schneidersitz zu verharren, befürchtete allerdings jeden Moment einzuschlafen, wenn ich mich hinlegen würde, da der Jetlag mich noch immer fest im Griff hatte. Während der Stunde fing es fürchterlich zu regnen und zu gewittern an, was sich leider auch den restlichen Tag so hinziehen sollte.



Also nutzte ich die Zeit um runter zu fahren und zu lesen. Am Abend bestellten wir dann Dinner von einem Lieferservice, der große Probleme hatte uns aufgrund der überfluteten Straßen überhaupt zu erreichen. Ich versuchte mich so lange wie möglich wach zu halten, wurde dann allerdings um 20 Uhr von der Müdigkeit übermannt.
Am nächsten Morgen regnete es noch immer. Ich fragte mich ob die geplanten Aktivitäten bei diesem Wetter überhaupt stattfinden würden. Damit stand ich irgendwie alleine da, denn für den Rest war es selbstverständlich trotz Regen surfen zu gehen. "You will get wet anyway" womit der Surflehrer Wayan Recht behalten sollte.
Wir fuhren also zum nahe gelegenen Strand. Die Mädels erinnerten mich daran ja genug Sonnencreme aufzutragen. Ich wunderte mich warum das überhaupt notwendig war bei diesem bewölktem Himmel, aber noch bevor wir auf die Bretter stiegen klarte der Himmel auf und die Sonne gab ihr Bestes.
"There are no big waves today" sagte Wayan, doch beim Anblick des Meeres wurde mir mulmig zumute. Die Wellen waren gefühlte drei Meter hoch. Für meine Verhältnisse viiiiel zu 'big'. Ich hatte zuvor nicht eine Minute drüber nachgedacht ernsthaft Angst vorm Surfen zu bekommen, doch beim Anblick dieses gewaltigen Wassers fühlte ich mich alles andere als wohl. Während die drei anderen Mädels sich mit ihrem Surflehrer bereits in die Wellen stürzten zeigte Wayan mir am Land erst einmal die Trockenübung auf dem Board. Im Grunde gar nicht so schwer dachte ich, doch erinnerte mich an einen kürzlich gelesenen Surfbericht eines Reisenden, der bereits beim Paddeln so seine Schwierigkeiten hatte auf dem Brett zu bleiben. Ein paar Mal übte ich an Land noch das aufstehen, aber war mir sicher, dass dies für meine allererste Surfstunde womöglich viel zu viel verlangt sei.
Dann ging es ins Wasser. Mein Magen drehte und wendete sich und ich fürchtete auf dem Board seekrank zu werden.
Auf Wayans Kommando legte ich mich aufs Brett und paddelte los. Wieso hat eigentlich zuvor niemand erwähnt wie unglaublich kräftezehrend dieses Paddeln ist??? Nach einer gefühlten Ewigkeit hatte ich endlich den Rest der Truppe erreicht und war völlig außer Atem. Die Hitze drückte von oben und das extrem salzige Wasser war nicht wirklich eine Erfrischung. Ich freute mich, den sicheren Bereich hinter dem Wellenbruch erreicht zu haben. Voller Stolz über das kenterfreie Paddeln wollte ich mich ersteinmal ausruhen und versuchen eins zu werden mit dem Meer. Wayan war stets an meiner Seite. Er blickte zu mir und fragte mich "Are you ready to catch the first wave?" Was?Nein! Ich war nicht mal ansatzweise soweit doch er rief nur "Keep on paddeling!" und so paddelte ich was das Zeug hielt in Richtung Strand. Ich spürte wie die Welle sich unter mir erhob, schaute zurück und sah sie über mich brechen. Oh mein Gott!!! Es war keine Zeit mehr um Luft zu holen, denn schon in der nächsten Sekunde wurde ich von meinem Board gerissen. Was nun?Schwimmen?Nein, 'unbedingt den Kopf schützen' fiel mir wieder ein. Noch immer unter Wasser wurde so langsam die Luft knapp. Ich wollte an die Oberfläche, doch wo war sie?Alles drehte sich um mich herum. Wo war das Board? Ich spürte das Seil nicht mehr an meinem Knöchel. Atmen! Ich wollte nur noch atmen, doch das Wasser nahm kein Ende. Noch zwei Schwimmzüge. Meine Güte wo ist denn nur die Oberfläche? Dann kam sie endlich! Mein Gesicht grade aus dem Wasser schnappte ich nach Luft,hustete und versuchte zu atmen. Meine Augen suchten die anderen. Wayan rief von hinten "There is another one, dive, dive!" und schon prasste die nächste Welle auf mich ein und die nächste... Ich war völlig am Ende und voller Panik. Was dachte ich mir nur dabei? Ich kann zu Hause nicht mal zwei Sekunden in unserem Pool tauchen und bekomme bereits Schnappatmungen, wenn mir an Land jemand die Nase zu hält. Das war nichts für mich. Ich wollte mich nur noch retten. Doch wohin retten? Wayan erklärte mir zu Beginn, dass ich mich von den Wellen auf keinen Fall bis zum Strand tragen lassen darf. Ich muss vorher zurück zum Kanal und dann wieder raus ins tiefere, bevor die Wellen anfangen zu brechen. Hier liegen Theorie und Praxis mal wieder weit auseinander, denn ich befand mich bereits unmittelbar vor dem Strand. Also schnell zurück in den seichten Kanal und wieder raus ins Tiefe. Meine Armkraft verließ mich. Mein Körper war vollkommen zittrig und ich hatte nicht mehr genügend Kraft mich bis zu den anderen zu paddeln, dachte ich. Wayan kam zu mir. Ich schaffte es aus letzter Kraft zurück zur Gruppe. So weit, so gut. Ich dachte nicht im Traum daran es nochmal zu versuchen. Die Angst lähmte meinen Körper. Schon kam die nächste Welle. Wayan schub mich an. Ich soll 'ruhig bleiben', riet er mir. Diesmal schaute ich nicht zurück. Ich wollte gar nicht wissen was da auf mich zukam, sondern einfach nur überleben. Ich hielt mich liegend auf dem Board. 'Jetzt müsste ich aufstehen' dachte ich und stütze meine Hände auf. Doch meine Arme waren wie Pudding. Ich konnte keine Kraft mehr aufwenden. 'Reiß dich zusammen' dachte ich. Doch da riss mich die Welle schon wieder über Board. Als ich auftauchte befand ich mich schon wieder fast am Strand. Ich versuchte zurück zu paddeln, doch sackte nach ein paar Metern völlig entkräftet auf dem Brett zusammen. Ich bat Wayan darum, dass ich die restliche Stunde am Strand mit Zuschauen verbringen konnte. Er brachte mich zurück und ärgerte sich, mir kein besserer Lehrer gewesen zu sein, doch dabei war er großartig. 'Hauptsache man hat Spaß' sagte er...Spaß!! Davon war ich Meilen entfernt. Für mich war es der Kampf ums nackte Überleben!
Zurück an Land war ich mir sicher, dies sei nicht mein Sport und dass ich nie wieder auf ein Surfbrett treten werde. Doch noch auf dem Rückweg zum Hostel fasste ich neuen Mut. Ängste sind immerhin da,um überwunden zu werden. Also versuche ich es morgen erneut...oder übermorgen


Zurück im Pelan (was übrigens "langsam-langsam" oder auch gesagt "bleib ruhig" heißt) wartete schon wieder ein hervorragendes Mittagessen auf uns.
Anschließend durfte ich meine erste balinesische Massage genießen! Das war die beste Ganzkörpermassage, die ich jemals hatte!!! Vom Kopf bis zum kleinen Zeh wurde jegliche Verspannung aus mir heraus gedrückt, geboxt, geschüttelt oder gezogen. Ich war vollkommen entspannt. Und für umgerechnet grade mal 10€ kann man sich das in Deutschland nicht mal erträumen. Darauf folgte meine erste Yoga Stunde mit Sali. Ein wirklich hervorragender Lehrer. Die Übungen wurden langsam genug ausgeführt, sodass ich als vollkommener Neuling keine Probleme hatte mitzumachen. Jedoch waren eine Positionen ziemlich schwierig, wenn man so ungelenkig ist wie ich, sodass ich aus dem Lachen kaum heraus kam. Also, ja Yoga macht wirklich glücklich, auch wenn es nur auf diese Weise ist. Am Abend bemerkte ich dann,dass die Sonne beim Surfen mich tatsächlich so sehr erwischt hat, dass meine Arme und Beine völlig verbrannt waren. Vermutlich ist es morgen früh so schlimm, dass ich nicht surfen gehen kann, hoffte ich insgeheim.
Am Abend fuhr ich mit meiner schweizer Zimmermitbewohnerin Kathrin und der jordanischen Dina aus Dubai (eine unglaubliche Frau! Sie organisiert jährlich eine Spendenaktion in Form einer Radtour für Ghaza Kinder auf der ganzen Welt) nach Canggu in eine Beach Bar, von der aus wir bei ein paar Bier den Surfern beim Sonnenuntergang zusehen konnten. So langsam verflog meine Angst und ich fragte mich ob ich mit meinen morgendlichen Emotionen nicht vielleicht etwas überreagiert hatte. Vielleicht hätte ich doch noch ein, zwei Minuten länger unter Wasser überlebt. Aber in dem Moment war es genau das, was ich fühlte. In einem Supermarkt fand ich Sonnencreme mit LSF 110. Somit stand meinem morgigen Surferlebnis nichts mehr im Wege. Verdammt! Später am Abend stießen die deutsche Lea und die Französin Katja zu uns und wir aßen in einem gemütlichen hawaiianischen Restaurant zu Abend.
Morgen geht es erstmal wieder raus aufs Wasser und nachmittags gibt es eine Tour zu einer Tempelanlage. Einen Tag möchte ich unbedingt noch die Umgebung auf eigene Faust erforschen, aber dafür muss dann wohl leider eine Surfstunde ausfallen

Eure Maria

Kommentare

  1. Du verrücktes Huhn.... Ich habe mich mal wieder köstlich amüsiert. Herrlich anschaulich wie du die Eindrücke sowie das Erlebte beschreibst. Ich freue mich wenn es mehr davon gibt... Viel Spaß weiterhin :-* pass auf dich auf und immer schön eincremen

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