Welcome to the Jungle

Pünktlich um 7 Uhr saß ich am folgenden Morgen auf der Restaurantterasse und stärkte mich mit einem ausgiebigen Frühstück. Während ich mein Blick zum Fluss richtete raschelte es auf einmal neben mir im Baum. Ein Affe, der es auf mein Frühstück abgesehen hatte. Ich sah nach oben und auf dem Dach saß schon der nächste und auf einmal war es eine ganze Gruppe von mindestens 10 Äffchen, die wild umher sprangen zum Leidwesen der Restaurantbetreiber, die andauernd damit beschäftigt waren die Affen von ihren Gästen zu vertreiben. Ich ließ mich nicht weiter stören, denn den Kampf um mein Essen mit mir würden sie verlieren.

Um neun holte der Guide Sandi (der verdammte Ähnlichkeit mit Jakob aus Twilight hatte) mich und zwei dänische Mädels ab und wir starteten unsere Hiking Tour. Sandi akzeptierte nicht dass ich meine Kamera da lassen würde und bot an sie für mich zu tragen, was er auch den gesamten Trek über einhielt. Gott sei dank, denn ich hätte mich tierisch geärgert einige dieser wunderschönen Anblicke nicht festhalten zu können.
Nach ein paar Minuten stoß ein weiterer Guide mit den beiden Engländern Hamish und Freddy ebenfalls zu uns.
Durch den nächtlichen Regen war der Lehmboden ziemlich aufgeweicht und rutschig. Es dauerte nicht lange bis sich die erste von uns auf den Po setzte. Sandi zeigte uns die Dschungelpflanzen und nach einer knappen halben Stunde verließen wir den eigentlichen Weg und gingen offtrek tiefer in den Dschungel. Jeder Schritt musste sitzen und benötigte die volle Konzentration, denn einen graden Pfad auf flacher Ebene gab es nicht. Es ging entweder bergauf oder bergab. Bei 30 Grad und feuchtheißer Luft dauerte es nicht lange bis wir alle komplett durchgeschwitzt waren, was sich bis zum Ende des Tages auch nicht mehr ändern sollte. Ein gefundenes Fressen für die Moskitos, die wir nur mit stündlicher Dusche in Insektenspray einigermaßen fern halten konnten. Trotz der übermäßigen Anstrengungen machte es einen heidenspaß sich den Weg entlang zu kämpfen. Wir schwungen uns mit Lianen über kleine Bäche, kletterten über umgefallene Baumstämme und krabbelten teilweise auf allen Vieren die steilen Wege hinauf. Bergab war ebenfalls voller Körpereinsatz gefragt, denn hier war die Rutschgefahr am größten. Dadurch ging es natürlich nur sehr langsam voran. Für grade mal 7km benötigten wir samt regelmäßiger Trinkpausen ganze 6h.
In den Pausen zauberten unsere Guides uns dann regelmäßig Snacks zur Stärkung. Es gab alle Sorten der lokalen Früchte wie Ananas, Melone, Passionsfrüchte und haufenweise Bananen. Schon bei der ersten Pause gesellte sich ein Gibbon zu uns, den wir mit unseren Obstresten versorgten. Die Guides achteten darauf, dass er uns nicht zu nahe kommen konnte.





Zum Lunch gab es vorbereitetes Nasi Goreng und haufenweise Geschichten über den Dschungel. Einige konnte man glauben, die meisten jedoch nicht, denn unser Guide machte sich einen Spaß daraus jeden von uns an der Nase herum zu führen. Da wir uns noch im vorderen Teil des Nationalparks befanden würden wir vorwiegend auf die ausgewilderten Orang Utans stoßen, die den Menschen gegenüber freundlich waren und bis zu uns auf den Boden kommen würden. Alle bis auf eine. Minah hat in der Vergangenheit bereits mehrere Menschen, darunter Guides wie auch Touristen gebissen und unser zweiter Guide Jampo zeigte seine Narben von ihr am rechten Knie. Tiefer im Dschungel lebten dann die Wilden, die wir dann nur oben in den Bäumen sehen würden.
Sumatra und Borneo sind die einzigen Länder, auf denen sich die letzten wilden Orang Utans befinden. Und auch hier gibt es Unterschiede. Die Borneo Affen würden in Sumatra nicht überleben und umgekehrt genauso. Leider sind die Orangs vom Aussterben bedroht, weil ihr Lebensraum zum Zwecke des Palmölabbaus gerodet wird.  Deswegen ist es notwendig diese Tiere in Reservats zu züchten und auszuwildern. Von den ausgewilderten Affen wurden bereits erste Junge in der Wildnis geboren, was ein sehr gutes Zeichen ist.
"Can you here this?" fragte uns Sandi und wir hielten für einen Moment inne und lauschten dem Dschungelkonzert. Eine horde Grillen kombinierte sich mit etlichem Vogelgezwitscher. Im Hintergrund riefen die Gibbons und in der Ferne hörte man den Fluss rauschen. Überall duftete es unheimlich gut nach den Pflanzen des Dschungels. Ich sah nach oben. Um mich herum die gewaltigen Bäume, an denen Lianen herunter hingen. Darüber der blaue Himmel. Alles hier war viel größer. Die Blätter, die Bäume, die Insekten. Ein Tausendfüßler hatte die Länge meiner Hand und einige Ameisen waren so groß wie eine Streichholzschachtel. Wir sollten auf die Farbe und den Kopf der Tiere achten. Waren sie rot oder hatten sie einen großen Kopf (in dem Fall meist die Männchen) waren sie giftig und wir durften sie auf keinen Fall berühren.
Wir waren grade dabei uns einen weiteren Weg bergauf zu erklimmen. Ich in der Mitte der Gruppe, die beiden Engländer und Jampo hinter mir. Auf einmal hielt die Truppe an. Sandi rief etwas und Jampo lief nach vorn. Wir richteten unseren Blick auf und sahen wie vor uns auf dem Berg etwas oranges auftauchte und sich auf den Weg in unsere Richtung machte. Oh unser erster Orang Utan freuten wir uns, aber irgendetwas stimmte nicht. Der Affe kam näher und Sandi rief "It's Minah, move back Guys, move back" Oh mein Gott, zurück und das auf schnellstem Wege bergab. Unmöglich! Die Engländer waren schneller weg als wir gucken konnten und auch ich schaffte es sturzfrei in einem affenzahn ein paar Meter zurück. Dann stoppte ich und drehte mich um. Minah war noch immer hinter uns "Go, go, go" schrie Sandi. Also weiter laufen. Nach ein paar weiteren Metern riefen sie uns dann zurück. Sie hatten Minah mit einer Ananas versorgt, mit der sie dann den Baum herauf geflüchtet ist. Wir konnten sie vom Boden aus beobachten mit einer gehörigen Portion Angst und Respekt vor diesem Tier, denn in nullkommanix hätte sie sich zu uns herab schwingen können. Wir gingen ein paar Meter weiter und der nächste Orang Utan mit Baby in Gepäck schwang sich zu uns. "It's Jackie. She is friendly" versicherten sie uns. Wir durften sie mit Obst und Kernen füttern. Sie nahm es sich auf überraschend menschlicher Weise direkt aus unserer Hand. Ein überwältigendes Gefühl. Sie nahm meine Hand und zog mich zu sich heran. Sie sind gern in Gesellschaft, erklärten uns die Guides. Ein weiteres Orang Utan Kind kam zu uns. Ich nahm ein Stück Banane und streckte meinen Arm nach oben aus. Der Orang kletterte an mir hinauf und zog meinen Arm mit einer Leichtigkeit herunter. Ihre Haut ist butterweich, die Haare relativ stark und trotzdem weich, die Muskelkraft überragend, was natürlich kein Wunder ist, wenn man sieht wie sie sich teilweise kopfüber von Baum zu Baum schwingen. Sie könnten mir ohne weiteres den Arm brechen als wäre es ein kleiner Stock. Natürlich würden sie das nicht tun. Von Natur aus sind es keine aggressiven Tiere. Als Pflanzenfresser haben sie es auch nicht auf menschliches Fleisch abgesehen. Trotzdem sollte man sie stets mit Respekt behandeln und ihr Verhalten genau beobachten, denn auch sie sind Lebewesen, die sich zu wehren wissen, wenn sie sich gestört fühlen. In Jackies Nähe waren wir sicher vor Minah, da sie Angst vor ihr hatte. Noch ein Grund mehr diese Affenmami zu lieben. Während sie sich mit uns beschäftigte tobte ihr Baby oben in den Baumwipfeln. Es war herrlich mit anzusehen wie es sich tollpatschig von Zweig zu Zweig hangelte und gleichzeitig erstaunlich wie stabil diese Äste und Bäume waren, deren Stamm teilweise nicht dicker als ein Kinderarm war.
Eine halbe Stunde später setzten wir mit der passenden Hymne, die Sandi uns gelehrt hatte, unseren Trek fort.
"Jungletrek, jungletrek in Bukit Lawang,
See the Monkeys, see the bids, see Orang utan....
...see the Monkeys, see the Minah, everybody run!"




Am Nachmittag erreichten wir dann das Camp am Fluss. Es bestand aus zwei Bambusüberdachungen. In einem befanden sich zwei Feuerstellen auf denen es bereits in den Kochtöpfen brodelte. Davor saß ein etwas beleibterer Mann im Schneidersitz auf dem Fußboden. Das war Sugik unser Koch, der uns im Camp mit den Mahlzeiten versorgen würde. Ein liebevoller Indoneser, der den ganzen Tag ein Lächeln auf den Lippen hatte und man ihn am liebsten einfach geknuddelt hätte. In der anderen Hütte schlugen wir unsere Zelte auf und verstauten die Rucksäcke darin, um sie vor den diebischen Affen zu schützen, die natürlich immer dann auftauchten, wenn es was zu essen gab.
Kaum angekommen, sprangen wir alle sofort in den Fluss, der im Vergleich zu den anderen relativ klares Wasser hatte. Trotzdem wurde uns geraten dieses Wasser nicht zu trinken. Die Guides kochten es vorher für uns ab.
Gegessen wurde natürlich auf dem harten Steinboden. Ebenso die abendlichen Spielrunden, die wir mit Einbruch der Dämmerung starteten. Sandi zeigte uns etliche indonesische Spiele und Kartentricks, die so simpel und sinnlos waren, dass wir aus dem Lachen nicht mehr heraus kamen. Die erste Nacht bekamen wir lediglich eine dünne Isomatte, um 'das Gefühl für den Dschungel zu bekommen'. Ich machte kaum ein Auge zu, weil jedes Körperteil schmerzte. Als ich am Morgen aus dem Zelt kroch war der Anblick einfach unbeschreiblich. Die Morgensonne kämpfte sich durch die Baumkrohnen, der Fluss plätscherte friedlich und die Vögel pfiffen ihr Lied. Alles war so unglaublich friedlich und ich mittendrin. Es fühlte sich gut an ein Teil dieser Natur zu sein und am liebsten hätte ich den Dschungel ganz allein auf eigene Faust weiter erforscht. Sugik kochte bereits Kaffee auf der Feuerstelle. Ich liebte es ihm beim kochen zuzuschauen. Und der Kaffee hier ist einfach so unheimlich lecker. Die Milch jedoch ziemlich gewöhnungsbedürftig. Sie gleicht eher einer zähflüssigen Vanilliensauce und riecht auch so. Trotzdem verlieh sie dem Kaffee eine bezaubernd süße Note.

Auch am zweiten Tag trafen wir während des Treks erneut auf Jackie und weitere Orang Utans. Jampo und die beiden dänischen Mädels verließen unsere Truppe gegen Mittag und Sandi und ich liefen alleine mit den Engländern zum nächsten Camp, wo Sugik uns bereits erwartete. In der Nacht gab es einen gewaltigen Regenschauer und der Fluss stieg in kürzester Zeit in beängstigende Höhe. Wir beobachteten das Schauspiel, allzeit bereit in ein höher gelegenes Camp umzuziehen. Dies war jedoch glücklicherweise nicht notwendig. Nach dem Frühstück am nächsten Morgen bereitete Sandi unsere Reifen für das bevorstehende Tubing über den Fluss vor, denn niemand von uns wollte sie Strecke auf dem Fußweg zurücklegen.
Beim Anblick der starken Strömung wurde mir ziemlich mulmig zumute. Sollte ich aus dem Reifen herraus fallen, würde die Strömung mich sofort weg reißen und vermutlich gegen den nächsten Felsen schleudern. Doch Sandi versicherte mir mich rechtzeitig herauszufischen.
Als wir dann alle in den Reifen lagen war jegliche Angst verflogen und wir hatten alle einen Riesenspaß. Nach einer halben Stunde landeten wir direkt beim Hotel, was leider auch das Ende unseres Treks bedeutete.
Im Hotel gesellte sich an der Bar ein wenig später der Chef der Agentur zu mir, der, wie sich herausstellte, ein begeisterter Leser meines Blogs war.
Er liebte meine Fotos und wollte alles von mir wissen. Wo ich her komme, wo ich war, was ich mache und natürlich meine Eindrücke von der Tour. Er lud mich ein bei einem indonesischen Spiel zuzuschauen. Einem Mix aus Fuß- und Volleyball, was ich dankend annahm. Auch dort wurde ich voller Begeisterung empfangen. Alle kamen auf mich zu, fragten nach meinem Namen und warfen mir ein paar deutsche Brocken zu, die sie von Touristen gelernt hatten. Natürlich wurde ich auch hier wieder nicht vor Fotos verschont.
Sich mit Indonesern auf Englisch zu unterhalten ist im Grunde kein Problem, da sie ein sehr einfaches Englisch sprechen, ohne groß die Grammatik- oder Ausdruckregeln zu beachten. Schwieriger ist jedoch eine längere Konversation, da sie zwar ein paar gute Brocken sprechen, jedoch kaum fließendes Englisch verstehen können. Weshalb die Kommunikation zwischen mir und den Guides meist reibungsloser funktionierte als mit den beiden Engländern, die die Worte bereits nicht verstanden, wenn Sandi sie etwas anders betonte.
Alles in allem kann ich wohl behaupten, dass die überwiegend muslimischen Indoneser ein sehr glückliches und freundliches Volk sind. Egal wo ich war, jeder lächelte mich sofort an, wenn sich unsere Blicke kreuzten. Im Vergleich zum deutschen Standard lebten sie überwiegend in ärmlichen Verhältnissen, schienen sich jedoch trotzdem keine Gedanken darüber zu machen dieses oder jenes haben zu wollen, mehr Geld verdienen zu wollen oder in der Karriereleiter die oberste Stufe zu erreichen. Sie waren mit sich zufrieden obwohl oder vielleicht auch grade weil sie kaum etwas besaßen. Ich fragte Sandi einmal ob sein Job gut bezahlt sei und er erklärte mir, dass dies hier keine Rolle spielt. Ihm war es nur wichtig überhaupt einen Job zu haben und er gab alles dafür ein guter Guide zu sein um diesen Job behalten zu können. Die durchgeknallte Art dieses 27jährigen zeigte mir mal wieder, dass man das Leben nicht immer allzu ernst nehmen und dankbar für das sein sollte, was man hat. Man sollte im Leben tun und lassen, was man will, solange man dabei immer ein Lächeln im Gesicht hat und glücklich ist, riet er mir.
Mit diesen Worten im Kopf mache ich mich jetzt auf den Rückweg in die Heimat. Ich freue mich darauf meinen Hund und meine Lieben wiederzusehen und hoffe ein Stück der balinesischen Gelassenheit sowie der indonesischen Zufriedenheit und dem ununterbrochenen Lächeln in meinem Herzen weiterzutragen.

terima kasih
Eure Maria

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